Bundestagswahl: Macht- mit oder ohne Wirtschaftswechsel?
Ein Pferd springt nur so hoch wie es muss. Wenn man sich aber den Zustand der deutschen Wirtschaft anschaut, müssen neue Weltrekorde im Hochsprung her. Anderenfalls droht ein drittes Jahr mit Nullwachstum, sogar mit Stagflation, da uns die Inflation auch wegen administrativer Gängelungen wie ein lästiger Schatten verfolgt.
Die Zeit des Abwartens, des Zauderns und der Gesundbetung muss nach der Bundestagswahl sofort beendet werden. Wirtschafts- und Finanzpolitik sind keine ideologischen Schönwetterveranstaltungen. Im Haifischbecken des international brutalen Wettbewerbs heißt es „Vogel friss oder stirb“. Die früheren konjunkturellen Wohlfühlzeiten kommen nie mehr zurück.
Doch wie stehen die Chancen für so eine wirtschaftsfreundliche Regierung, die ja wieder eine wie auch immer gefärbte Koalition mit vielen Kompromissen sein wird? Aktuell erleben wir einen Wohlfühlwahlkampf mit hübsch ins Schaufenster gestellten Annehmlichkeiten, die nur mit konsequenter Ignoranz der Mathematik umsetzbar sind.
Wo bleiben die Vorschläge zur konsequenten Beseitigung unserer Wirtschaftsprobleme (Energiesicherheit zu akzeptablen Preisen, Bürokratie, mangelnde Wettbewerbsfähigkeit)? Doch dann müssten unsere Kandidaten harte Reformen vorschlagen, die aber wehtun und bei denen die Gefahr besteht, wie nach der Agenda 2010 vom Wähler abgestraft zu werden. Aber gibt es eine Alternative? Nein! Oder wollen wir wirtschafts- und finanzpolitische Zustände wie in Frankreich riskieren, für die auch gesellschaftspolitische Preise zu zahlen sind?
Ebenso liefert die EU-Politik nicht unbedingt Argumente für deutsche und europäische Aktien 2025. Eine wachsende Anzahl von sendungsbewussten Eurokraten will uns auch weiter mit gutmenschlichen Maßnahmen beglücken, obwohl diese vielfach wie Rattengift auf unsere Wirtschaft wirken. Leider ist Deutschland immer besonders emsig, wenn es um die nationale Umsetzung geht.
Und wenn es dann konjunkturell hinten und vorne nicht reicht, setzen viele auf die Barmherzigkeit der EZB. Mangels Wachstums- und Wettbewerbsfortschritten führt dies am Ende aber nur zu höherer Inflation sowie Kaufkraft- und Wohlstandsverlusten.
Über X steckt Trumps Sprachrohr Elon Musk mit viel sadistischer Freude die Finger in die weit offenen Wunden Europas. Auf Druck könnte jedoch auch Gegendruck folgen. Europa und Deutschland könnten sich wieder auf ihre früheren wirtschaftlichen Tugenden besinnen. Doch lieber reagiert man bisher auf berechtigte Kritik wie die beleidigte Leberwurst mit der Familienpackung selbstgerechten Moralismus. Wäre es angesichts der Lage nicht Zeit zu reflektieren?
Unsere schwache Währung spiegelt diese allgemein missliche wirtschaftliche und politische Lage in Europa klar wider. Der Euro nähert sich immer mehr der Parität zum US-Dollar an, was den Preisauftrieb auch außenwirtschaftlich antreibt.
Märkte zwischen Zinssorgen und Konjunkturhoffnungen
In seiner zweiten und letzten Amtsperiode wird Donald Trump Amerikas Wirtschaft massiv fördern und deregulieren. Das kommt nicht zuletzt der High-Tech-Industrie zugute, die sich allerdings mehrheitlich für Kamala Harris ausgesprochen hatte. Auch von den vielen US-Stars, die die USA verlassen wollten, falls Trump gewählt wird, hört man kaum noch etwas. Tatsächlich werden auch sie von mehr Prosperität verwöhnt. Gemäß dem Motto „Wes Brot ich ess, des Lied ich sing“ wird der amerikanische Vogel des Jahres 2025 wohl der Wendehals werden.
Sicherlich wird die amerikanische Wirtschaftsoffensive viel neues Schuldengeld kosten. Aber es sind gute Schulden, die dem Wachstum und dem Arbeitsmarkt zugutekommen. Der Hinkefuß sind allerdings zuletzt steigende Anleiherenditen, denn die Inflation wird in diesem Umfeld nicht weiter zurückgehen. Das schmälert nicht zuletzt den Spielraum der Fed für Zinssenkungen.
Immerhin weiß Trump, dass seine im Wahlkampf propagierten Turbo-Handelszölle die amerikanischen Preise wachsen lassen wie Unkraut im Vorgarten. Das wird seine fellow citizens nicht amüsieren, die ihn doch aufgrund der hohen Lebenshaltungskosten gewählt haben. Es wird also nur langsame Zollerhöhungen mit ebenso überschaubarem Inflationsdruck geben.
Vor diesem Hintergrund wird insgesamt zwar das Zinssenkungsargument an Einfluss verlieren. Doch dafür tritt ein neuer wirtschaftlicher Fundamentalismus mit höheren Unternehmensgewinnen in den Vordergrund. Übrigens, auch weltweit sorgen gewaltige Ausgabenprogramme für Verteidigung, Infrastruktur und Digitalisierung für Aufschwung.
Davon profitieren konjunkturzyklische Aktien, auch aus Deutschland und Europa, gerade jene aus der zweiten Reihe. Zum einen werden sie aufgrund ihres Know-Hows gebraucht. Und zum anderen flüchten sie vor den traurigen Gegebenheiten bei uns in attraktive Produktions- und Absatzstandorte, vor allem in die USA. So erklärt sich, warum europäische Industrieunternehmen ihre Gewinne in den letzten 10 Jahren trotzdem um mehr als 80 Prozent steigern konnten.
Insgesamt müssen 2025 Risiken einkalkuliert werden und es wird auch volatiler. Aber auch die beschriebenen Chancen sind zu berücksichtigen. Der Anlegerfokus sollte auf Aktien gerichtet werden, über die man intakte Stories erzählen kann und die auch noch relativ günstig bewertet sind. Dann wird 2025 ein Aktienjahr, das neben Saurem auch viel Süßes bereithält.
Zum Schluss: Wie wohltuend wäre es, wenn amerikanische Wirtschaftsfreundlichkeit nach Europa überschwappen würde und damit unsere Börsen nicht mehr nur vor allem Trittbrettfahrer von Wall Street sind, sondern autonome Kraft entfalten könnten.
Leider sind wir da (noch) nicht. Sonst käme niemand auf die Schnapsidee, Sozialbeiträge auf Kapitalerträge zu erheben. Ausgerechnet die private Altersvorsorge, die verhindert, dem Staat später auf der Tasche liegen zu müssen, würde geschwächt. Die jetzt schon schwachen Anreize, etwas für den Ruhestand zurückzulegen, würden noch mehr torpediert. Werden gewisse Politiker jemals kapieren, dass eine immer übergriffigere Staatswirtschaft der perfekte Wohlstandskiller ist?
Es mag nicht jedem gefallen, was ich in dieser Kolumne geschrieben habe. Aber in meinem Alter trägt man das Herz auf der Zunge. Und die wird immer größer.
